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Fragen und Antworten rund um Artenvielfalt und Ökolandbau

Die Natur ist schützenswert! Intakte Ökosysteme sind mehr als schöne Landschaften, sie versorgen uns mit sauberem Trinkwasser, gesundem Boden und Räumen zur Entspannung, sie sind die Basis unseres Lebens. Der Wandel liegt in der Natur und schon immer sind Arten ausgestorben. Doch das massive Artensterben, das gerade jetzt passiert, ist vor allem menschengemacht.

In unserem FAQ erfährst du alles rund um das Thema Artensterben, Artenvielfalt und warum Ökolandbau die Lösung ist.

Artenvielfalt, Artensterben und die Lage in Deutschland

Was ist überhaupt Artenvielfalt und wie unterscheidet sie sich von Biodiversität?

Die Begriffe Biodiversität oder biologische Vielfalt werden oft mit Artenvielfalt gleichgesetzt. Artenvielfalt betrifft aber nur einen Teilaspekt. Konkret die Anzahl der Arten. Der Begriff biologische Vielfalt umfasst die Vielfalt der Arten, die Vielfalt innerhalb von Arten, wie genetische Vielfalt, und die Vielfalt der Lebensräume. Dazu zählen auch die Häufigkeiten von Arten und ihre Biomasse, da beide Faktoren für die Aufrechterhaltung ökologischer Funktionen von enormer Bedeutung sind.  

Was ist das Artensterben?

Artensterben ist ein natürlicher Prozess, der auch ohne das Zutun des Menschen abläuft. Es bezeichnet das Verschwinden ganzer Arten durch Aussterben, das meist durch starke Veränderung des Lebensraumes der betreffenden Art verursacht wird. In der Geschichte des Lebens auf der Erde gab es bisher fünf große Massensterben. Ein sehr bekanntes Beispiel ist das Aussterben der Dinosaurier vor 66 Millionen Jahren.   

2019 veröffentlichte der Weltbiodiversitätsrat der UN (Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES)) einen Bericht über die weltweite Lage der biologischen Vielfalt. Drei Jahre lang haben 150 Wissenschaftler:innen aus 50 Ländern mit der Unterstützung weiterer 310 Expert:innen fast 15.000 Studien und Berichte ausgewertet. Sie kamen zu dem Schluss, dass innerhalb der nächsten Jahrzehnte bis zu einer Million Arten vom Aussterben bedroht sind und sprachen vom sechsten Massensterben. Das Artensterben ist heute mindestens zehn- bis hundertmal höher als im Durchschnitt der letzten Millionen Jahre.  

Warum ist Artensterben schlimm?

Ein intaktes Ökosystem stabilisiert das Klima, schützt das Trinkwasser, hält den Boden lebendig und ist, kurz gesagt, essentiell für unsere Lebensgrundlage. Die Abnahme der biologischen Vielfalt führt zu zahlreichen negativen Folgen und hat in den vergangenen Jahrzehnten viele Ökosystemleistungen beeinträchtigt. Diese negativen Folgen betreffen unter anderem die Erhaltung natürlicher Lebensräume, die Bestäubung von Pflanzen, die Regulierung der Süßwassermenge und seiner Güte, die Bodenbildung und die Hochwasserregulierung. Artenvielfalt ist daher eines unserer kostbarsten und schätzenswertesten Güter! 

Wie steht es um die Artenvielfalt in Deutschland und welche Arten sind betroffen?

In den vergangenen Jahrzehnten sind in Deutschland die Bestände einer Vielzahl an wildlebenden Tier-, Pflanzen- und Insektenarten zurückgegangen. Ein aktueller Bericht zur Lage der Natur vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zeigt auf, dass sich die Natur in Deutschland in einem schlechten Zustand befindet. Mehr als zwei Drittel der zu schützenden Arten sind in einem ungünstigen Erhaltungszustand und fast die Hälfte der Lebensräume zeigt einen negativen Entwicklungstrend. Besonders stark zu beobachten ist dieser Trend auf landwirtschaftlich genutzten Wiesen, Weiden und Äckern. 

Wie steht es um die Ackerwildkräuter?

Ackerwildkräuter sind eine wichtige Nahrungsquelle für Feldvögel sowie eine wichtige Pollen- und  Nektarquelle für Bestäuber, angefangen von den Wildbienen und Hummeln über Schwebfliegen bis hin zu Tag- und Nachtfaltern. Fehlt eine vielfältige Ackerwildkrautflora mit ihrem Blütenangebot, kommt es zum Rückgang vieler Vogel- und Insektenarten.   

In Deutschland sind 38% der heimischen Farne und Blütenpflanzen gefährdet. Das geht aus der Roten Liste der Farn- und Blütenpflanzen, Moose und Algen hervor, die das Bundesamt für Naturschutz 2018 in ihrem Bericht vorgestellt hat.  

Wie steht es um die Insekten?

Insekten sind in allen Ökosystemen der Welt zuhause und stellen mit einem Anteil von 90% aller Tierarten die artenreichste Gruppe aller Lebewesen. Neben der Nahrungsgrundlage für eine Vielzahl weiterer Tierklassen wie Vögel, zählen Insekten zu den wichtigsten Pflanzenbestäubern, sorgen für den Fortbestand der Pflanzenwelt und stellen einen Großteil unserer Ernährung sicher. Zudem sind sie auch wichtige Nützlinge in Forst- und Landwirtschaft und besonders im Ökolandbau wird auf sie als natürliche Schädlingsbekämpfung gezählt.

Für die Bewertung des Insektensterbens stehen mehrere Studien, Langzeituntersuchungen und Rote Listen zur Verfügung. Auch, wenn es hier natürlich Forschungslücken gibt zeichnen alle ein ähnliches Bild: die Anzahl und Artenzahl der Insekten sind rückläufig.

Der Entomologische Verein Krefeld veröffentlichte 2017 eine aufsehenerregende Studie. Über einen Zeitraum von 27 Jahren wurde das Vorkommen von Fluginsekten an über 60 Standorten erforscht. Das Ergebnis: mehr als 75% der Gesamtbiomasse an Fluginsekten sind aus Teilen Deutschlands verschwunden. Einer Auswertung der Roten Liste zufolge sind bereits 41% der Schmetterlinge ausgestorben oder bestandsgefährdet. Bei Wildbienen sind heute deutschlandweit mehr als die Hälfte der 561 Arten in ihrem Bestand gefährdet, mit steigender Tendenz.

Wie steht es um die Vögel?

Vögel sind auf vielfältige Weise in Ökosysteme eingebunden. Sie sind für viele Pflanzen zwar nicht für die Bestäubung, dafür aber für die Samenverbreitung unverzichtbar. Welche Katastrophen durch einen schlagartigen Rückgang von Feldvögeln entstehen können zeigt der sogenannte “Spatzenkrieg” von Mao-Tse-Tung im Jahr 1985 eindrucksvoll. Mao ordnete an, alle Spatzen zu töten und verursachte dadurch eine Heuschreckenplage. Anders als gedacht stehen zur Brutzeit hauptsächlich Insekten auf dem Speiseplan der Spatzen und nicht Getreide. Vögel sind wichtig für den Erhalt des ökologischen Gleichgewichts.   

Seit 1980 ist der Bestand der Feldvögel um über die Hälfte zurückgegangen. Einer Analyse des Naturschutzbund Deutschland (NABU) zufolge sind seit 1980 über zehn Millionen Brutpaare jener Vogelarten verschwunden, die typischerweise auf Wiesen, Äckern und Weiden leben. Betroffen sind Arten wie Kiebitz, Rebhuhn oder Braunkehlchen. Die Population des Rebhuhns ist seit 1980 um 91 Prozent zurückgegangen, die Feldlerche hat heute weniger als die Hälfte der Brutpaare, die sie noch vor 40 Jahren hatte. Die Daten zeigen auch, dass der Gesamtbestand jener Vogelarten zurückgeht, die ihre Jungen mit Insekten füttern.  

Wie steht es um die Säugetiere?

Insgesamt 25 von 37 Säugetierarten, die laut EU-Naturschutzrecht besonders schützenswert sind, befinden sich in einem schlechten oder unzureichenden Erhaltungszustand. Nur acht Arten können derzeit ihren günstigen Zustand halten, dazu gehören unter anderem der Baummarder, die Wasserfledermaus und der Biber (nur in der kontinentalen Region).  
  
Ähnlich wie die Agrarvögel, hat auch der Feldhamster mit den Auswirkungen der intensiven Landwirtschaft in seinem Lebensraum zu kämpfen. Er befindet sich sowohl in der atlantischen als auch in der kontinentalen Region in einem durchgehend schlechten Erhaltungszustand – mit einem Gesamttrend, der sich noch verschlechtern wird.

Was sind die Ursachen des Artensterbens?

Die Gründe für den teils starken Rückgang sind sehr unterschiedlich. Der Weltbiodiversitätsrat der UN kam 2019 in seinem Bericht zu dem Ergebnis, dass die Abnahme der biologischen Vielfalt hauptsächlich durch die veränderte Landnutzung und Intensivierung der Landwirtschaft verursacht wird. Durch den großflächigen Einsatz von Pestiziden und Dünger gibt es keinen Platz mehr für Wildkräuter oder Insekten. So finden Feldvögel weniger Nahrung und Brutplätze. Immer größere Felder, die Ausweitung des Mais- und Rapsanbaus, weniger Restflächen wie Feldraine und Wegränder und der Wegfall von Brachflächen machen den Vögeln zu schaffen. Auch die durch Infrastruktur zerschnittenen Landschaften und die veränderte Landnutzung in Siedlungs- und Gewerbeflächen erschweren die Lage für einige Arten.  

Ökolandbau und seine Leistungen für die Artenvielfalt

Was leistet der Ökolandbau für die Umwelt?

Der ökologische Landbau gilt als eines der nachhaltigsten Agrarsysteme und wird deshalb in besonderer Weise durch die Gemeinsame Europäischen Agrarpolitik gefördert. So erbringt jeder Öko-Betrieb gesellschaftlich relevante Umweltleistungen. Insbesondere in den folgenden Bereichen:  

  • Wasserschutz: Die ökologische Landwirtschaft zeigt ein hohes Potenzial zum Schutz von Grund- und Oberflächenwasser. In den ausgewerteten Untersuchungen verminderte eine ökologische Bewirtschaftung die Stickstoffausträge im Mittel um 28%.  
  • Bodenschutz: Bei der Bodenfruchtbarkeit zeigen sich deutliche Vorteile des Ökolandbaus. Häufigkeit und Biomasse von Regenwurmpopulationen sind unter ökologischer Bewirtschaftung im Mittel um 78 beziehungsweise 94% höher.  
  • Artenschutz: Dass sich der Ökolandbau positiv auf die Biodiversität auswirkt, ist in vielen Studien belegt. Die mittleren Artenzahlen der Ackerflora liegt bei ökologischer Bewirtschaftung im Mittel um 95% höher.   
  • Klimaschutz: Die ökologische Landwirtschaft zeigt positive Effekte hinsichtlich der Speicherung von Klimagasen. So ist im Durchschnitt der Gehalt an organischem Bodenkohlenstoff in ökologisch bewirtschafteten Böden um 10% höher als bei konventionellen Betrieben.   
Was leistet der Ökolandbau konkret für die Artenvielfalt?

Ganz zentral ist zunächst einmal der grundsätzliche Verzicht des Ökolandbaus auf chemisch-synthetische Dünger und Pestizide. Denn viele dieser Pestizide wirken nicht nur gegen Schädlinge und Problemkräuter, sondern schädigen genauso Nützlinge und andere Insekten, Bodenlebewesen und Mikroorganismen. Manche sind auch für Wildbienen, Hummeln und Honigbienen gefährlich, wie aus eiem Bericht der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) 2018 hervorgeht. Auch, die bei uns heimischen Ackerwildkräuter sind durch den intensiven Einsatz von Unkrautvernichtungsmitteln und Kunstdüngern seit Mitte des 19. Jahrhunderts um 90 Prozent zurückgegangen. Damit einhergehend sind auch die von ihnen lebenden Insekten, Vögel und Säugetiere in ihrem Bestand stark gefährdet oder verschwunden.

Der Ökolandbau fördert die Artenvielfalt jedoch nicht allein durch den Verzicht auf diese Mittel, sondern auch durch das, was er stattdessen macht. Denn statt nur einzelne, so genannte Schädlinge oder Unkräuter, zu bekämpfen, zielt der Ökolandbau darauf ab, durch Vielfalt auf dem Acker ein natürliches Gleichgewicht und damit ein insgesamt stabileres Anbausystem zu schaffen. Und genau davon profitiert die Artenvielfalt, weil sie als nützlicher Teil des Gesamtsystems betrachtet und gefördert wird.

Ein wichtiges Element ist dabei der Anbau in vielfältigen Fruchtfolgen mit Zwischenfrüchten. Wenn etwa direkt nach der Ernte eine blühende Mischung aus Phacelia, verschiedenen Klee-, Senf und Rapsarten ausgesät wird, dann erfüllt eine solche Zwischenfrucht gleich mehrere Zwecke: Es wird Stickstoff im Boden gebunden, der Boden wird mittels Durchwurzelung gelockert und zugleich finden Insekten und andere Tiere Deckung und Nahrung. Ähnliches gilt für blühende Untersaaten, die im Herbst oder Frühjahr in die Hauptkultur ausgesät werden.

Über diese grundlegenden Systemleistungen des Ökolandbaus hinaus wollen viele Naturland Landwirt:innen aber noch mehr tun, um die Artenvielfalt auf ihren Flächen aktiv zu fördern. Deshalb kooperiert der Ökoverband mit dem Naturschutzverband LBV, um  gemeinsam eine Biodiversitätsberatung für die Naturland Betriebe aufzubauen. Dabei geht es darum, individuell an den jeweiligen Betrieb angepasste Maßnahmen zu identifizieren und umzusetzen, durch die ein echter, zusätzlicher Mehrwert für die Artenvielfalt entsteht. So schaffen wir gemeinsam mehr Lebensraum für Pflanzen und Tiere!

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